Eltern ringen um Erhalt des Meuraer Kindergartens

Junge Eltern aus Meura stemmen sich gegen die geplante Schließung des Kindergartens in ihrem Dorf und schreiben einen offenen Brief an Bodo Ramelow

 

Meura. Was Juliane Neise so stört, ist diese Kluft. Die Kluft zwischen dem, was die Politik vollmundig in griffigen Slogans postuliert, und der Wirklichkeit auf dem Land, wie zum Beispiel in Meura. Juliane Neise ist eine junge Mutter aus dem 410-Einwohner-Dorf und es geht ihr um den örtlichen Kindergarten „Fribbchen“, der in Trägerschaft der Gemeinde ist. Der könnte zum 31. Dezember dieses Jahres geschlossen werden. „Zu geringe Kinderzahlen“, lautet die Begründung der Gemeinde.

 

Mitte Juni legte Bürgermeister Detlev Schloßer (parteilos) bei einer Einwohnerversammlung die Karten auf den Tisch.

 

Familiäre Atmosphäre bei den „Fribbchen“

 

Aber eigentlich geht es Juliane Neise um Aufrichtigkeit. „Wie kann die Politik und diese Landesregierung immer wieder verkünden, den ländlichen Raum stärken zu wollen, und dass Kinder unsere Zukunft seien – und dann steht ein Kindergarten wegen 50 000 Euro im Jahr zur Disposition!“, fragt sie sich. Das ist die Summe, die sich die Gemeinde die Kita jährlich kosten lässt.

 

Nun sollen die eingespart werden und die Kinder nach Sitzendorf ins Spatzennest der AWO wechseln. Das ist zwar rund zehn Kilometer entfernt, hat aber noch ein paar freie Kapazitäten. Reichmannsdorf wäre näher, ist aber voll, sagt Neise. Das Problem: Aktuell besuchen nur 12 Kinder die Kita. Laut Jugendamt wären etwa 25 notwendig, damit sich der Betrieb rechnet.

 

Und es werden eher noch weniger, als mehr. Juliane Neise ist sich sicher: „Geld darf hier nicht das Kriterium sein“. Mit ihrem Mann Christian Marquardt und anderen Eltern kämpft sie nun um die Kita. Ihre Tochter ist gerade zwei geworden und besucht die Fribbchen, ein Geschwisterchen ist unterwegs. Es soll später auch noch bei den „Fribbchen“ spielen können.

 

Gemeinsam mit ihren Mitstreitern hat sie eine Elterninitiative zugunsten der Kita gegründet. Dabei gehe es nicht nur um schnöde Pendelkilometer, sondern auch um Identität. „Wie sollen unsere Kinder ein Heimatgefühl entwickeln, wenn sie morgens weggebracht und erst am späten Nachmittag ins Dorf zurückkehren?“, heißt es in dem Schreiben an die Staatskanzlei vom 22. Juni. Der Name geht auf ein Volk von Sagengestalten zurück, die nur in der Umgebung von Meura gelebt haben sollen. Seit 2012 trägt der Kindergarten diesen Namen.

 

„Meura ist zudem noch ein verhältnismäßig intaktes Dorf“, erzählt Neise bei einem Treffen auf dem Haflingergestüt. Es gibt einen Fleischer, einen kleinen Kfz-Betrieb, einen Tante-Emma-Laden, Gastronomie. Die 30-Jährige befürchtet eine Abwärtsspirale, sollte die Kita gehen. Sicher scheint ihr jedenfalls: „Wenn sie einmal weg ist, kommt sie nicht mehr wieder“.

 

Sei die geringe Kinderzahl für kühl Kalkulierende in mancher Amtsstube ein K.o.-Kriterium, schätzten gerade die Eltern im Ort den familiären Charakter im Haus. „Die Erzieherbindung ist gut“, sagt Neise. Man kennt sich. Ohne die Fribbchen, so fürchten die Eltern, gehe auch ein Stück des engen Zusammenhaltes im Dorf verloren.

Der Gemeinde und ihrem Rat will sie jedoch keinen Vorwurf machen. „Ich habe einfach das Gefühl, dass der ländliche Raum in der Landespolitik insgesamt zu wenig zählt.“ Bürgermeister Schloßer versteht die Sorgen der Eltern. „Das ist natürlich eine emotionale Angelegenheit und der Kindergarten ein Stück Meuraer Kultur.“ Schloßer sagt aber auch klar: „Wir sind an einem Punkt, an dem es kaum noch geht. Steuereinnahmen und Schlüsselzuweisungen reichen einfach nicht mehr aus.“

 

Geldnot: Bürgermeister will Gebühren erhöhen

 

Deswegen hat Schloßer jetzt „die Reißleine gezogen“ und dem Gemeinderat eine Beschlussvorlage zur Schließung der Fribbchen unterbreitet. Wie erwartet, lehnten die Räte sie ab und erteilten Schloßer stattdessen den Auftrag, für die Erhaltung des Kindergartens zu sorgen. „Das geht entweder übers Personal oder Beitragserhöhungen“, sagt Schloßer. „Die Elternbeiträge bei uns waren immer recht niedrig, was die Kommunalaufsicht monierte.“

 

Nun hat er eine Satzung erarbeitet, die eine Erhöhung ab dem 1. September beispielhaft für die Ganztagsbetreuung des ersten Kindes unter drei Jahren von derzeit 125 auf 150 Euro vorsieht, mit gestaffelten Erhöhungen in 2019 und 2020. Heute entscheidet der Gemeinderat darüber. „Aber selbst damit ließe sich die angestrebte Kostendeckung von 20 Prozent durch Elternbeiträge nicht erreichen“, sagt Schloßer. Versuche, einen Träger aus dem Sozialbereich zu gewinnen, verliefen bisher im Sande. Mit Datum 23. Juli erhielt Juliane Neise dann auch Antwort von Ramelows Büroleiter Torsten Weil. Mit „abgekanzelt“, umschreibt Neise den Tenor des Briefs.

 

Die Gemeinde Meura befinde sich in der Haushaltskonsolidierung, zur Sicherung eines „bedarfsgerechten Angebotes“ an Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen“ trage der Freistaat „umfänglich seinen finanziellen Beitrag im Rahmen der gesetzlichen Verpflichtungen.“ Prüfungen für die zweijährlich fällige Betriebserlaubnis hätten in der Vergangenheit aber gezeigt, dass der Betreiber an der Beseitigung von Mängeln „sehr unzureichend interessiert war“. Über diesen Satz kann Schloßer nur den Kopf schütteln. „Die Auflagen von letztem Jahr sind fast alle erfüllt. Wenn ich wegen knapper Finanzen um Fristverlängerungen bitte, wird das offenbar als mangelnder Wille interpretiert.“ Am 28. August ist die nächste Prüfung. Wie es mit den „Fribbchen“ weitergeht, wird erst danach entschieden werden können.

 

Juliane Neise und die Mamas von Meura hoffen das Beste. Und wir bleiben natürlich dran.

 

Quelle: TLZ Robin Kraska / 09.08.18

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